Pantanis Steine
Marco Pantani wird 2004 tot im Hotelzimmer gefunden. Danach stellen Fans an steilen Anstiegen Steine für ihn auf. In der Nähe eines Gedenksteins führt dieses Jahr die Tour de France durch.
Text: Daniel Stehula
Die italienischen Radsportfans lieben ihn leidenschaftlich, bis über seinen frühen Tod vor 20 Jahren hinaus: Marco «der Pirat» Pantani. Bevor er des Dopings überführt wurde und 2004 an einer Überdosis starb, gelang ihm etwas, das seither keiner mehr geschafft hat. 1998 gewann er als bisher letzter Fahrer den Giro d’Italia und die Tour de France im gleichen Jahr. Vor ihm war das Eddy Merckx gelungen, und zwar dreimal. Fausto Coppi, Bernard Hinault und Miguel Indurain gelang das Double je zweimal, Jacques Anquetil und Stephen Roche schafften es einmal. Nun versucht es Tadej Pogačar.
Die Tour de France beginnt dieses Jahr im italienischen Florenz. Pantani zu Ehren startet die zweite Etappe in Cesenatico mit Ziel in Bologna. Denn nirgendwo ist die Liebe zum Piraten grösser als in seiner Heimat zwischen der Adriaküste und dem Apennin und vor allem in Cesenatico. Der Ort ist heute eingewoben in den Teppich von Hotels und Restaurants, der sich hinter dem endlosen Sandstrand nördlich und südlich von Rimini erstreckt. In Cesenatico ist Pantani aufgewachsen und dem lokalen Veloklub G.C. Fausto Coppi beigetreten, und hier wurde er auch im Grab seiner Familie bestattet.
Um Marco Pantani und seine spektakulären Qualitäten in den Bergen zu verstehen, muss man an seinen Heimatort reisen – dann wird alles klar. Aber nur, wenn man sich vom Meer abwendet und ins Landesinnere blickt
Pantani hat die steilen Anstiege in den Ausläufern des Apennins für seine Trainingsfahrten genutzt. Für die grossen Einheiten fuhr er weit ins Hinterland bis zum Monte Carpegna, vorbei an San Marino, der Zwergrepublik, die oben auf einem schroffen Felsen liegt. Nach 73 Kilometern Anfahrt geht es steil hinauf bis auf rund 1400 Meter über Meer. Manchmal liegt hier Anfang Mai noch Schnee. Pantani sagte: «Il Carpegna mi basta.» Der Carpegna reiche ihm für sein Training.
Doch manchmal war die Runde noch kürzer. Dann jagte er beispielsweise einen steilen Anstieg wenige Kilometer hinter Cesena hinauf. Diese Rampe ist ganz nach dem Gusto eines Bergspezialisten: steil, nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang, um sie nicht einige Male nacheinander fahren zu können.
Kurz nach Pantanis Tod errichteten Vereine und lokale Behörden eine Gedenkstätte am Cima Dante, dem höchsten Punkt des Anstiegs: In einen Findling liess man ein Bild des Piraten ein. Es zeigt ihn auf dem Velo, aus dem Sattel gehend und – wie immer – am Berg angreifend. Mittlerweile gibt es weitere Gedenksteine in Pantanis Trainingsrevier. Für eine persönliche Marco-Pantani-Gedenkfahrt startet man in Cesenatico in der Nähe des Bahnhofs. Wenige Meter neben dem historischen Ortskern steht das Marco-Pantani-Museum. In mehreren Räumen sind Bilder, Trikots, Fahrräder und dergleichen ausgestellt. Danach fährt man zur Strandpromenade, wendet sich nach Süden und macht den nächsten Halt bei der Pantani-Statue aus Bronze, die inmitten eines kleinen Parks steht.
Weiter geht es Richtung Süden bis Gatteo a Mare, dem nächsten Ort. Dort biegt man rechts zum Bahnhof ab und fährt in Richtung Cesena. Im Spital dieser Stadt ist Marco Pantani 1970 zur Welt gekommen. Hier muss man gut auf den Verkehr achten und sich Richtung San Carlo halten.
Am besten folgt man dem Fluss Savio und verlässt Cesena auf der kleinen, kaum befahrenen Via Roversano. Nach wenigen Kilometern durchquert man San Carlo und fährt nach Borello. Im Ort biegt man links nach Gualdo ab, überquert die Autobahn, fährt durch einen Kreisel und über den Savio. Bei der nächsten Gelegenheit biegt man links ein und schon beginnt der Anstieg. Er ist etwa 5 Kilometer lang, bis zu 11 Prozent steile Rampen warten auf den Fahrer. Man muss sich die Kräfte einteilen.
Beim Gedenkstein angekommen geht es dann auf der Hügelkette mit vereinzelten kurzen Anstiegen zurück nach Cesena. Von dort nimmt man denselben Weg nach Cesenatico wie bei der Hinfahrt. Die Runde ist 55,5 Kilometer lang mit 620 Höhenmetern.
Doch die Steine des Piraten liegen auch an anderen Orten. Wer nicht gleich an die italienische Adriaküste reisen will, wird auch im Tessin fündig. Von Locarno aus fährt man in Richtung Centovalli nach Ponte Prolla. Hier hält man sich links und fährt das Centovalli hoch bis nach Malesco. Die Strasse steigt stetig an, es gibt aber auch einige steile Rampen zu erklimmen.
In Malesco angekommen folgt man dem Wegweiser nach Cannobio. In dem italienischen Grenzort am Lago Maggiore wird später die Abfahrt enden. Zuerst geht es jetzt aber über Kopfsteinpflaster bis zu einem Waldstück. Hier beginnt der Anstieg zum «Passo dello Scopello» auf dem Radsportfans einen Gedenkstein für Marco Pantani errichtet haben. Seither wird der Übergang inoffiziell auch «Passo Marco Pantani» genannt. Die Strasse steigt auf den ersten zwei Kilometern gleichmässig an, erst auf den letzten eineinhalb Kilometern wird sie steil: Nun warten Rampen von 8 bis 12 Prozent auf die Fahrer.
Die Passhöhe liegt auf knapp 1000 Metern über Meer. Von dort rauscht man auf einer 22 Kilometer langen Abfahrt hinab nach Cannobio. Lässt man das Velo ausrollen bis an das Ufer des Lago Maggiore, kann man links abbiegen und über Brissago und Ascona nach Locarno zurückrollen. Nach dieser Runde hat man 73 Kilometer und 1300 Höhenmeter auf dem Tacho.