Ginos letzte Fahrt und andere bewegende Geschichten – das ist das Gruppetto #1/24

Die erste «Gruppetto»-Ausgabe 2024 ist soeben erschienen. Von Gino Mäder, über Demi Vollering bis hin zu Miguel Indurain erzählen wir die Geschichten von Persönlichkeiten aus dem Radsport. Und wir bieten viel Überraschendes.

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Die welbeste Velofahrerin ziert das Cover der neusten Gruppetto-Ausgabe. Foto: Maurice Haas

Die letzte Fahrt des Gino Mäder

Es wurde viel über Gino Mäders Tod geschrieben – und doch sind die Umstände des tragischen Sturzes weitgehend ungeklärt. Wir haben mit Mäders Familie, Fans sowie Fotograf:innen und Organisator:innen gesprochen, die Gino Mäder auf seiner letzten Fahrt noch live erlebt haben. Das Protokoll der Tour-de-Suisse-Etappe sagt auch viel über die Mäders Karriere, sein Leben und Wirken aus. Ein packendes Lesestück.

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In diesem Kurve ist Gino Mäder tödlich verunglückt. Foto: Maurice Haas (Bild: @mauricehaas)

Die Gipfel immer vor Augen

Der Frauenradsport hat vergangenes Jahr eine Wachablösung erfahren. Bei der Tour der France fuhr die Niederländerin Demi Vollering am Tourmalet ihrer Landsfrau Annemiek von Vleuten davon. Die Reaktion der Beobachter:innen: «Okay, nun ändern sich die Dinge.» So hat das Vollering erlebt, sagt sie uns. Wir haben die Ausnahmeathletin mehrmals getroffen: In Meggen am Vierwaldtstädtersee, wo sie seit kurzem mit ihrem Verlobten wohnt und in ihrem Campervan auf der Seebodenalp, denn die naturverbundene 27-Jährige verbringt ihre Zeit gerne draussen.

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    Macht Demi Vollering eine Ausfahrt, behält sie immer den Blick für die schöne Landschaft. Foto: Maurice Haas

Kurbeln statt Grübeln

Fabian Recher ist derzeit die grösste Schweizer Handbike-Hoffnung. 2024 ist für ihn mit den Paralympics und den Weltmeisterschaften in Zürich ein bedeutendes Jahr. Es hat gut begonnen mit einem dritten Platz beim Weltcup in Adelaide. Ein Erfolg auf der internationalen Bühne nach einer zweijährigen Durststrecke. Wir haben Recher in seiner Wohnung in der Nähe von Thun getroffen und mit Weggefährt:innen gesprochen und dabei gemerkt: Der 24-jährige zaudert oft und ist sich manchmal selbst etwas im Weg. Gelingt es ihm nun, über sich hinauszuwachsen?

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Fabian Recher feilt noch an den Einstellungen für sein Handbike. Foto: Nicolai Morawitz

«Ich trank nach jeder Etappe ein Glas Rotwein. Wenn die Etappe hart war, auch mal zwei»

Er ist ein Gigant des Radsports: Miguel Indurain hat die Tour de France zwischen 1991 und 1995 fünfmal in Folge gewonnen. Sein Körper ist ein Phänomen, so hatte er einst einen Ruhepuls von 28 Schlägen pro Minute. Bei einem Treffen in Küsnacht ZH hat uns Indurain erzählt, wie die Duelle gegen Alex Zülle und Tony Rominger waren und was er über Jonas Vingegaard denkt. Indurain ist kein Mann der vielen Worte. Besonders wortkarg wurde er, als wir ihn auf Doping angesprochen haben.

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Miguel Indurain beim Interview in Küsnacht ZH. Foto: Severin Bigler

Beruf: Beeinflusserin

Wenn Debora Brunold auf dem Velo sitzt, schauen ihr Millionen zu. Dabei fährt die Aargauerin keine Rennen. Bei einem Treffen im Sommer 2023 erzählt Brunold uns, dass sie Influencerin werden möchte: «Ich probiere den Job eines Saison aus. Geht es nicht weiter, werde ich wieder Pflegefachfrau.» Ein halbes Jahr später konnten wir sie nicht mehr persönlich treffen, weil sie ständig unterwegs war. Am Telefon erzählte sie uns, wie sie ihren Erfolg bisher erlebte und wie sie nun auch einzelne Tage hat, an denen sie nicht arbeitet. Das Porträt von Deby, wie sie in den sozialen Medien von allen genannt wird, erklärt auch, wie das Geschäft der Influencer:innen funktioniert und wie man mit Fotos auf Instagram Geld verdient.

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Mit solchen Bildern geht Debora Brunold viral. Foto: Instagram/_de_by

«Wir sind doch keine Holländer»

In Belgien heisst es: «Du musst leben wie ein Flandrien.» Übersetzt heisst es: «Du musst kämpfen und immer wieder aufstehen, wenn du am Boden bist.» Es ist keine Besonderheit, dass eine Radsport-Metapher Teil der Alltagssprache ist. In keinem anderen Land wird der Radsport so euphorisch zelebriert wie in Belgien. Wir haben mit dem belgischen Botschafter und dem Konsul in Bern ein Radquer-Rennen geschaut. Vom Rennen haben wir wenig gesehen, dafür umso mehr hochprozentiges Bier getrunken und viel über die belgische (Radsport-)Kultur erfahren.

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Der Botschafter Pascal Heyman serviert zum Start Westvleteren, belgisches Trappistenbier, blond, sechs Volumenprozent. Foto: Raul Surace

Sie nannten ihn El Grillo

In Kolumbien träumen viele Jugendliche von einer Radsportkarriere. Es ist für sie auch ein Weg aus der Armut. Es gibt tausende talentierte Fahrer:innen, die auch gefördert werden. Doch nur wenige schaffen den Sprung nach Europa. Einer von ihnen ist der Nachwuchsfahrer Guillermo Juan Martinez. Wir haben den 19-Jährigen bereits im November 2022 erstmals in den kolumbischen Bergen auf dem Feld seiner Eltern getroffen. Als wir ihn im Juni 2023 im Trainingslager seines Teams Q36.5 im italienischen Lucca getroffen haben, erzählte er uns von Herzproblemen und Operationen. Dennoch setzt sein Team weiter auf ihn.

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Guiellermo Juan Martinez auf dem Feld seiner Eltern Nelci und Manuel. Foto: Rémy Vroonen

Bubentraum der besten Freunde

PS-starke Autos in einem Velomagazin? Wenn man die beiden Ex-Profis Michael Schär und Gregory Rast privat kennenlernt, dann kommt man am Mustang Fastback aus dem Jahr 1966 (4.7 Liter Hubraum, 275 PS) und dem Chevelle Chevrolet mit Baujahr 1970 (6.6 Liter Hubraum, 350 PS) nicht vorbei. Die beiden Jugendfreunde haben sich die Oldtimer bereits während ihrer aktiven Karriere gekauft. Heute sitzen sie als sportliche Leiter beim amerikanischen Team Lidl-Trek viel im Auto, wenn auch meist in den Begleitfahrzeugen der Teams. Für uns haben Rast und Schär ihre Oldtimer aus der Garage geholt und sind auf ein Fabrikareal im Luzernischen gefahren.

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Michael Schär (links) und Gregory Rast arbeiten wieder Seite an Seite beim amerikanischen Team Lidl-Trek.

Mojito-Gel und ein Magnum von der Tankstelle

Es ist unbestritten: Kohlenhydratgels verleihen auf einer längeren Ausfahrt wertvolle Energie. Ein Leckerbissen sind sie nicht, auch wenn sich die Hersteller mit zahlreichen Geschmacksrichtungen von Früchten bis zu Bier Mühe geben. Nenad Mlinarevic hat für uns ein Dutzend solcher Gels getestet. Er weiss, wovon er spricht. Er ist nicht nur begeisterter Radfahrer, sondern als Koch auch mit Gault-Millau-Punkten und Michelin Sternen ausgezeichnet. Seine Urteile fielen fast alle vernichtend aus. Dafür hat uns der Starkoch aber noch ein Rezept für seine Overnight Oats verraten, ein ideales Frühstück vor einer langen Ausfahrt.

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Und ausserdem...

...unser Gruppetto heisst gravELLE Club aus Bern. Ihre wertvollste Lektion im Mechanikerinnen-Workshop? Wie man mit einem SPD-Klickpedal eine Flasche Bier öffnet.

...von ihr kleben Aufkleber in den Strassen, Fans sprayen ihren Namen an die Wand und sie hat eine eigene Hymne: Wie die Radsportbubble Mieke Kröger feiert.

...der beste Schweizer Ultracycler Robin Gemperle ist unser neue Kolumnist. Was er über seine Juniorenzeit erzählt, geht unter die Haut.

...die historischen Duschen des Velodromes in Roubaix sind legendär. Die luxemburgische Fotografin Anouk Flesch gibt uns einen intimen Einblick nach dem Frauenrennen.

...im Tessin ist das Wetter immer schön und passend für eine Ausfahrt? Wir sahen uns schnell eines besseren belehrt, schätzten das Velofahren ennet dem Gotthard aber trotzdem, als wir mit der Profi-Fahrerein Linda Zanetti unterwegs waren.

...unser Technik-Kolumnist Simon Joller erklärt die kleinen Tricks der Fahrer:innen und sagt ob es sich wirklich lohnt, den Lenker schmaler zu machen.

...15 Tipps für Ultracycling-Rennen.

...wir haben das neue Velocafé in Sursee entdeckt und erfahren, welcher Tudor-Profi die Möbel zusammengeschreinert hat.

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(zac)

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