«Ja, ich trinke gerne Wein oder Bier»
Wie zelebrieren Radprofis eigentlich einen Sieg? Weshalb trinken die älteren dabei mehr als die jüngeren? Und welches ist der angesagteste Club nach der Tour de France? Fabian Lienhard gibt einen ungefilterten Einblick in die Welt der Veloprofis.
Text: Corsin Zander
Fotografie: Maurice Haas
Ihr habt in der noch jungen Saison bereits Siege feiern können. Du warst dabei, als Marc Hirschi gleich sein erstes Rennen für das Team Tudor in Valencia gewonnen hat. Wie habt ihr das gefeiert?
Weil es Anfang Saison und ein eher kleineres Rennen war, haben wir kein riesiges Fest veranstaltet. Aber wir haben am Abend schon eine Flasche Champagner geöffnet. Da kriegt jeder ein kleines Glas. Niemand trank viel, weil die meisten Champagner nicht so sehr mögen und wenige Tage später schon das nächste Rennen anstand. Bei grossen Rundfahrten finde ich, wir sollten das mehr zelebrieren.
Also mehr trinken?
Ja, ich finde, ein Bier oder ein Glas Wein müsste schon drin liegen, wenn man etwas gewinnt oder die Rundfahrt beendet. Das ist eine Belohnung für alle Anderen im Team, auch für die Mechaniker und alle Betreuer.
Wer hat die Flasche Champagner bezahlt?
Das ist in der Regel die Sache des Siegers. Wenn es gerade passt, zahlt man das auch mal aus der Mannschaftskasse. Ich habe auch schon für mich ein Glas Wein oder Bier bestellt, wenn ein Teamkollege etwas gewonnen hat und ich gerade keinen Champagner trinken wollte. Davon krieg ich am nächsten Tag bloss Kopfschmerzen. Das bringt ja auch nichts.
Du sagtest, grosse Rundfahrten sollte man mehr zelebrieren. Dieses Jahr fährst du vielleicht die Tour de France. Wo würdest du da am Ende hingehen?
Der Club Le Duplex in der Nähe des Arc de Triomphe ist bekannt dafür, dass die Fahrer dort feiern. Den Giro oder die Vuelta bin ich schon öfter gefahren. Da sind wir auch immer in einem Club in Rom oder Madrid feiern gegangen.
Gibt es da auch bestimmte Clubs, in die dann alle gehen?
Nicht wirklich. Ehrlich gesagt will man in einem solchen Moment vor allem mit den Teamkollegen feiern, und ich mag da lieber das gemeinsame Abendessen statt die Clubs. Man hat drei Wochen gegen die anderen Teams gekämpft und hat dann genug von denen. Klar trifft man, wenn man wie ich etwas länger unterwegs ist, noch andere Fahrer an. Auf den offiziellen Partys bin ich nie lange geblieben. Die sind langweilig. Aber die jungen Fahrer feiern heute ohnehin nicht mehr so ausgelassen. Da liegt es eben an uns Älteren, diese Traditionen fortzuführen. Es gibt inzwischen sogar Teams, die bei weniger wichtigen Rundfahrten direkt nach Hause gehen. Das finde ich schade. Immerhin war man länger zusammen unterwegs, und wenn man dann endlich ein Bier trinken könnte, gehen alle nach Hause.
Du hast ein lockeres Verhältnis zu Alkohol.
Ja, ich trinke gerne Wein oder Bier. Wenn mir das jemand anbietet, bin ich nicht derjenige, der Nein sagt. Klar schaue ich meistens, dass sich das im Rahmen hält. Verzichten will ich aber nicht ganz darauf. Ich brauche das manchmal, um den Kopf zu lüften. Dann sind es nach der Klassikersaison, einer grossen Rundfahrt oder nach der WM vielleicht auch mal vier oder fünf Bier. Auf meine Leistung hat das aber keinen negativen Einfluss. Im Gegenteil, es geht mir mental besser, wenn ich nicht immer nur den Sport im Kopf habe. Und die besten Geschichten erlebt man im Ausgang.