«Bei Stopp halte ich nicht an»
Wie verhalten sich Veloprofis eigentlich so im Strassenverkehr? Ertragen sie es, wenn sie an einem Berg überholt werden? Und halten sie sich immer an die Verkehrsregeln? Fabian Lienhard vom Team Tudor gibt einen ungefilterten Einblick in seinen Alltag.
Text: Corsin Zander
Fotografie: Maurice Haas
Gibt es eine Uhrzeit, zu der du aus Prinzip nicht auf eine Trainingsfahrt gehst?
Selten vor 10 Uhr. Ich bin kein Morgenmensch, und die Rennen starten zum Glück auch meistens später. So kann ich im Training meinen Rhythmus auch beibehalten und um 8 Uhr frühstücken.
Ich dachte, du würdest vielleicht dem Morgenverkehr ausweichen wollen.
Nein, da schaue ich lieber auf das Wetter. Wenn es nachmittags regnet, fahre ich um 9 Uhr ab. (überlegt) Okay, das ist sehr selten der Fall.
Was tust du, wenn dir ein Auto zu nahe auffährt?
Dann rufe ich aus. Verwerfe meine Hände. Aber die Aggression legt sich schnell wieder. Ich trainiere in Zürich oft mit Silvan Dillier zusammen. Und wir wählen dann Strassen, die nicht so stark befahren sind.
Welche Verkehrsregel brichst du am häufigsten?
(lacht) Bei Stopp halte ich nicht an, wenn niemand kommt. Das Rotlicht habe ich sicher auch schon übersehen. Aber das kommt selten vor.
Konterst du, wenn dich ein Hobbyfahrer am Berg überholt und abhängen will?
Wenn er ein normales Velo hat, kann ich den nicht einfach vorbeiziehen lassen. Da packt mich der Ehrgeiz zu sehr. Wenn jemand mit dem E-Bike kommt, ist mir das mittlerweile gleichgültig. Da lasse ich den ziehen, auch wenn ich ganz grundsätzlich nicht gerne überholt werde. Ehrlich gesagt, ärgere ich mich innerlich. Aber gut, sollen sie halt eben fahren.
Musst du eigentlich in Teamkleidern ausfahren?
Ja, dafür werde ich auch bezahlt. Ausser wenn es mein Renn- oder Traininigskalender zulassen, dann unternehme ich mit Freunden zusammen eine kleine Mountainbike-Ausfahrt – mit einem kleinen Stopp. Da ziehe ich dann ein normales Bike-Shirt an.
Welches ist dein liebster Rekord bei Strava?
Regensberg von Sünikon her. Dort ging früher die Züri-Metzgete durch. Diese Strecke ist bloss fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt. Darum bin ich dort jeweils auch noch genügend fit. Lange hatte ich auch den Rekord auf der Strecke zur Lägernweid hoch. Die ist sehr beliebt in unserer Trainingsgruppe. Aber Mauro Schmid hat den KOM (King of the Mountain, Anm. der Redaktion) dann mal ziemlich deutlich geholt. Ich wiege halt auch 10 Kilo mehr als er.
Wie kümmern dich deine Statistiken bei der Webseite ProCyclingStats, welche die Leistungen der Profis zusammenträgt?
Die Resultate sind mir eigentlich egal. Aber ich bin schon sehr stolz, wenn ich am Ende des Jahres kein DNF (steht für Did Not Finish, also dafür, dass jemand ein Rennen nicht beendet hat, Anm. der Redaktion) habe. Vergangenes Jahr hatte ich am WM-Strassenrennen in Zürich mein einziges DNF. Das nagt an meinem Stolz.