«Wenn ich am Limit bin, gwaggle ich rum»

Noemi Rüegg ist phänomenal in die neue Saison gestartet. Mit ihrem neuen Team feierte sie gleich ihren ersten Sieg bei den Profis. Wir haben kurz vor dem Abflug nach Belgien mit der jungen Schweizerin gesprochen.

noemi rüegg magdeleine
Magdeleine Vallieres und Noemi Rüegg probieren zum ersten mal ihre neuen Helme an.

Hoi Noemi, dein Saisonstart war ja hervorragend. Gleich der erste Profisieg im neuen Team!

Ja, das war ein mega krasser Saisonstart. Ich kann es immer noch nicht ganz glauben.

Ihr wart ja im Trainingslager in Mallorca, wart ihr euch eurer Form bewusst?

Eigentlich wollten wir die drei Rennen vor allem dazu nutzen, uns kennenzulernen und zusammen zu fahren. Wir hatten null Ambitionen. Dass es dann gleich zwei Siege für unser Team gab, hat niemand erwartet.

Vor dem ersten Rennen hat Alberto Bettiol noch eine Ansprache gehalten.

Noemi Rüegg über die enge Zusammenarbeit im EF-Team

Das EF-Männerteam gibt es schon länger. Ihr seid brandneu. Und es wird viel Wert darauf gelegt, dass die Frauen und Männer Teil des gleichen Teams sind. Wie erlebst du das?

Es wird wirklich sehr eng zusammengearbeitet. Wir waren in Mallorca zusammen im Hotel, haben teils zusammen trainiert und immer zusammen gegessen. Vor dem ersten Rennen hielt Alberto Bettiol (der EF-Fahrer gewann 2019 die Flandernrundfahrt, Anm. d. Red.) noch eine Ansprache und wünschte uns Glück. Nach dem Sieg hatten alle zusammen viel Freude!

Der andere Schweizer im Team ist Stefan Bissegger. Hast du auch mit ihm Kontakt?

Klar, wir waren im Dezember zusammen im Trainingscamp. Da sassen wir oft zusammen am Tisch oder danach an der Bar.

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Andreas Klier, Sportlicher Leiter hat im «Besenwagen»-Podcast erwähnt, dass eine Konsequenz dieser engen Zusammenarbeit war, dass sich die Frauen 54er- statt 52er-Kettenblätter für die flachen Rennen gewünscht haben. Warst du das?

Nein, da war ich nicht im Lead. Aber ja, ich bin dann auch mit einem 54er gefahren.

Und hast darum gewonnen?

Mitunter sicher. Es war ein extrem schneller Zieleinlauf, auf dem letzten Kilometer ging es leicht bergab und wir hatten Rückenwind. Im Sprint selber ging es dann aber wieder bergauf. Da hätte das 52er-Blatt auch gereicht.

Was natürlich vor allem optisch sehr auffällt, sind eure neuen Aero-Helme. Sie sollen 18 Watt einsparen bei 55km/h. Merkst du das?

Das ist schwierig zu vergleichen, aber man fühlt sich schon sehr schnell. Und ich fühle mich wohl. Ich weiss, dass er optisch nicht mega gut aussieht, aber das Visier ist praktisch. Es gibt keine Brille, die verrutschen kann.

Wenn ich am Limit bin, gwaggle ich rum.

Im Sprint ist die kleingewachsene Noemi oft doch die Grösste.

Es fällt auf, dass du dich fest hoch und runter bewegst im Sprint. Liegt das am Helm?

Nein, das ist mein Style und ist mir auch schon aufgefallen. Eigentlich sollte man sich im Sprint ja so klein wie möglich machen. Im Peloton bin ich auch oft die kleinste, aber wenn ich am Limit bin, auch berg hoch, dann gwaggle ich rum. Und dann bin ich im Sprint plötzlich die Grösste. Aber ich arbeite daran.

Und wie sieht es mit den Temperaturen aus unter diesem grossen Helm?

Die Hitze kann im Sommer sicherlich zum Problem werden. Aber bei den anstehenden Klassikern ist der Helm noch eine gute Waffe.

Mit Omloop Het Nieuwslad wird die Klassikersaison am Samstag eingeläutet. Es stehen fünf Pflastersteinabschnitte und acht Hellinge an. Auf den letzten gut 50 Kilometer geht es eigentlich nur noch hoch und runter. Ist das dein Ding?

Ich würde sagen, ja. Die Klassiker hatte ich immer schon gerne und ich würde mich als Klassikerfahrerin bezeichnen. Diese kurzen Rhythmusbrecher habe ich, im Gegensatz zu den langen Aufstiegen, gerne. Kopfsteinpflaster auch.

Noemis Prognose fürs Männerrennen

  1. Wout van Aert
  2. Biniam Girmay
  3. Stefan Bissegger

Bei der Setmana Ciclista Volta Femenina de la Comunitat Valenciana hatte es solche längeren Aufstiege und es machte den Eindruck, du konntest da relativ gut mitfahren. Sehen wir momentan eine Noemi in Topform?

Ich würde sagen, es ist eine Mischung. Ich bin sicher besser in Form als letztes Jahr. Aber es liegt auch daran, dass ich im neuen Team mehr Freiheiten habe und in die Leaderrolle gerutscht bin. So muss ich beispielsweise keine Leadouts mehr unten in den Berg hinein fahren, sondern kann mich schonen und frisch den Berg hinauf fahren.

Zurück nach Belgien. Wie soll das Rennen am Samstag verlaufen?

Erstmal wünsche ich mir eine unfallfreie Fahrt ohne Defekte. Bei den Klassikern kann so viel passieren. Danach bringen die kurzen Anstiege die natürliche Selektion. Ich will natürlich bis zum Schluss in der ersten Gruppe mitfahren und hoffe auf einen Sprint. Das ist sicher am besten für mich.

Regen bringt Spektakel für die Fans. Welches Wetter wünschst du dir?

Das spielt für mich keine Rolle, ich habe keine Mühe mit Regen. Es wird halt gefährlicher fürs ganze Feld und das Positionsfahren wird wichtiger. Aber das kann ich.

Bei Omloop Het Nieuwslad verlaufen die letzten 50 Kilometer beim Frauen- und Männerrennen genau gleich. Bedeutet dir das etwas?

Ich finde es cool, wenn wir auf der gleichen Strecke fahren. Dann kannst du auch das Männerrennen verfolgen und schauen, wie das Rennen verläuft. Und besonders cool ist es natürlich nach dem Rennen. Dann können wir uns alle zusammen austauschen.

Das Männerrennen gibt es schon seit 1945. Das Frauenrennen seit 2006. Wer waren deine Vorbilder, als du noch kleiner warst?

Weibliche Vorbilder hatte ich keine wirklichen. Aber Fabian Cancellara als grosses Aushängeschild des Schweizer Radsports. Und später dann auch Mathieu van der Poel und Wout van Aert.

Und wie sieht es heute aus?

Heute habe ich keine Vorbilder mehr. Ich bewundere natürlich viele andere Fahrerinnen und Fahrer und versuche, das Beste von allen zu nehmen. Ich finde aber, man verliert sich, wenn man wie jemand anderes sein will.

Heute bist du ja bereits selbst Vorbild für andere. Wie gefällt dir diese Rolle?

Es ist schön, wenn vor und nach dem Rennen die Kinder kommen und ein Bidon oder eine Unterschrift wollen. Letzthin wurde ich auch für eine Abschlussarbeit über den Schweizer Radsport interviewt. Es freut mich sehr, wenn Leute zu mir hochschauen.

Noemis weiteres Rennprogramm:

24.2. Omloop Het Nieuwsblad WE

27.2. Le Samyn des Dames

02.3. Strade Bianche

Höhentrainingslager Teide (Teneriffa)

21.3. Classic Brugge-De Panne

24.3. Gent-Wevelgem In Flanders Field

31.3. Ronde van Vlaanderen

06.4. Paris-Roubaix

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