«Ich will nicht als Statist weit hinten fahren»

Der Aargauer Silvan Dillier ist Helfer im belgischen Team Alpecin-Deceuninck. Er wird am Samstag zum sechsten Mal beim Klassiker Mailand–Sanremo teilnehmen. Davor nimmt sich der 34-Jährige Zeit für ein Gespräch über seine Aufgaben bei dem Rennen, sein Team und die Chancen der anderen Schweizer Fahrer.

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Silvan Dillier rast bei Mailand-Sanremo 2024 den Ausreissern hinter her. Foto: Laurent Aeberli

Silvan Dillier ruft uns am Donnerstagabend vom Flughafen Milano Malpensa zurück. Soeben ist ist er mit Fabian Lienhard und Mauro Schmid aus dem Flieger gestiegen, muss aber noch auf einen Teamkollegen warten. Er hat also gerade Zeit für eine kleine Vorschau auf das erste Monument des Jahres. Am Samstag starten 176 Fahrer zum 289 Kilometer langen Klassiker Mailand–Sanremo.

Ist es normal, dass man von Zürich nach Mailand fliegt?

Die Teams buchen jeweils ganze Rundreisen, da kann es schon sein, dass mal ein kürzerer Flug dabei ist.

Am Samstag wirst du wieder dafür sorgen müssen, dass die Fluchtgruppe nicht zu weit voraus fährt. Letztes Jahr musstest du 210 Kilometer alleine vorne im Wind fahren? Wieso freust du dich auf das?

(lacht) Mailand–Sanremo ist eines der grössten Rennen im Kalender. Es ist nur schon geil, da am Start zu stehen und auf dieser Bühne Velo fahren zu dürfen.

Auch mit einer eher undankbaren Aufgabe?

Ich bin lieber mit einer klaren Aufgabe am Start. Ich will nicht als Statist weit hinten fahren und nur darauf warten, bis ich abgehängt werde. Darum freue ich mich schon und auch ein Stück weit auf meine Aufgabe.

«Ich erwarte schon, dass andere auch Verantwortung übernehmen.

Silvan Dillier hofft, dass er die Fluchtgruppe nicht alleine kontrollieren muss.

Letztes Jahr hast du uns erzählt, nach dem Rennen seist du der «Kaputteste» des Teams gewesen. Die Lorbeeren erhalten andere. Warum funktioniert das «Füreinander» bei euch im Team so gut?

Das liegt zu grossen Teilen in der Verantwortung des Teammanagements. Auch in der Wirtschaft ist es kein Problem, dass alle füreinander arbeiten und das Beste als Team erreichen wollen, wenn die Führung einen guten Job macht. So ist es bei uns. Das Management gibt alles und das verlangen sie auch von allen anderen.

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Es ist ein langer Weg von Mailand nach Sanremo. Foto: Laurent Aeberli

Das heisst, bei anderen Teams gibt das Management nicht alles?

Lass mich das so verbildlichen: Ich habe noch nie einen Teammanager gesehen, sein Hemd hochzukrempeln und unter den Teambus zu kriechen, um den Motor zu reparieren. Bei uns ist genau das passiert. Das ist sicher ein Unterschied.

Bei der Flandernrundfahrt 2024 wolltest du Fabian Lienhard einspannen, um Führungsarbeit zu leisten. Der lachte nur und meinte, dass du das auch alleine schaffst. Erwartest du am Samstag mehr Hilfe? 

Von Lieni nicht, der fährt bis 200 Meter vor der entscheidenden Kurve schön hinter dir und überholt dich dann noch, um die bessere Position zu haben. (lacht)

Und erwartest du Hilfe von anderen?

Vor der Flandernrundfahrt 2024 hatten wir halt schon Mailand–Sanremo gewonnen und Mathieu van der Poel wurde bei Gent–Wevelgem Zweiter. Da musst du nicht auf Hilfe hoffen. Mailand–Sanremo können viele gewinnen, da erwarte ich schon, dass andere auch Verantwortung übernehmen. Ich denke, Lidl-Trek hat auch grosse Ambitionen und wird sich entsprechend einbringen. 

«Lidl-Trek hat verschiedene Trümpfe am Start.»

Silvan Dillier sieht die üblichen Verdächtigen als Favoriten auf den Sieg am Samsag.

Apropos Ambitionen. Wie geht es eigentlich Jasper Philipsen nach seinem Sturz bei Danilith Nokere Koerse?

Von ihm persönlich habe ich noch nichts gehört. Aber das Team hat uns mitgeteilt, dass er startet. Der Sturz war sicher nicht optimal und hat dem Körper etwas abverlangt. Aber wir sehen dann am Samstag, wie es ihm wirklich geht.

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Auch Stefan Küng will sich bei Mailand-Sanremo von seiner besten Seite zeigen. Foto: Laurent Aeberli

Es scheint, als ob fast kein anderes Rennen von so vielen Fahrern gewonnen werden kann wie MailandSanremo. Auf wen müsst ihr am meisten aufpassen?

Das Team UAE müssen wir sicher im Auge behalten. Dann hat Lidl-Trek verschiedene Trümpfe mit Fahrern wie Mads Pedersen und Jonathan Milan. Filippo Ganna fuhr am Tirreno–Adriatico auch brutal stark.

Und was erwartest du von Stefan Küng, Fabio Christen und Mauro Schmid?

Wenn ich Mathieu mit Fabio Christen vergleiche, muss ich van der Poel den Vorrang geben. Auch gegenüber Schmid und Küng. Stefan ist sicher stark, es reicht aber wahrscheinlich nicht nach ganz vorne. Schmid ist auch in Form, er wird keine Probleme haben, über die Hügel zu kommen. Aber bei Mailand–Sanremo ist auch die Position entscheidend. Wenn du an der Cipressa (der zweitletzte Anstieg vor dem Ziel, Anm. d. Red.) zu weit hinten bist und UAE Tempo macht, hast du keine Chance.

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Die Fans sind bereit. Foto: Laurent Aeberli

Und das wird Schmid zum Verhängnis?

Mauro ist nicht bekannt für gute Positionierung im Feld. Wenn er aber da ist, kann er schon mitfahren. Aber dann sind da immer noch die endschnellen Sprinter. Mailand–Sanremo ist das am schwierigsten zu gewinnenden Rennen.

Zum Schluss noch etwas ganz anderes. Eure Velos gibt es jetzt mit modischen Lackierungen. Hast du auch ein spezielles Velo für die Saison?

Bis jetzt hat nur Mathieu van der Poel so eines und ich weiss nicht, ob ich noch eins bekomme. Falls schon, dann freue ich mich sehr. 

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