Speichen der Zukunft: Karbonspeichen können ein Laufrad um 100g leichter machen

Text: Simon Joller

Illustration: Andrea Rearte

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Ich liebe den Blick in die Zukunft, und dieser Mann hat ihn offenbar. Vor drei Jahren entdecke ich bei einem Gravel-Rennen Laufräder, zusammengesetzt aus Karbonspeichen. Sie gehören Andreas Schaad. Der Fahrradmechaniker baut leidenschaftlich Laufräder – auch mit Karbonspeichen. Damals ist das exotisch, heute der letzte Schrei.

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Karbonspeichen als solche gibt es schon länger. Zwei Deutsche erfanden sie 1995, als sie Lightweight-Laufräder herstellten. Damals waren die Speichen fix mit Nabe und Felge verklebt. Nachdem Jan Ullrich 1997 damit die Tour de France gewonnen hatte, investierte ich mehrere Tausend D-Mark in ein solches Laufrad. Keines war leichter und steifer.

Was ich aber bei Andreas Schaad entdecke, ermöglicht es, dass heute zahlreiche Hersteller Karbonspeichen-Laufräder bauen. Und eröffnet auch den passionierten Hobbyschrauber:innen eine neue Welt. Seine Karbonspeichen-Laufräder bestehen wie die konventionelle Variante aus einzelnen Komponenten, wobei die Karbonspeichen einzeln eingesetzt werden.

Karbonspeichen können ein Laufrad auf einen Schlag um 100 und mehr Gramm leichter machen und sind deutlich zugfester als herkömmliche Stahlspeichen, was ein Laufrad steifer machen soll. Da die Steifigkeit auch von der Felge abhängt, sind die Unterschiede in der Praxis aber gering.

Ich will selbst ein Laufrad bauen und werde gewarnt. Philippe Jacquinet, Kopf des französischen Felgen-Herstellers Duke, schreibt mir: Passen Felgen, Naben und Speichen nicht exakt zusammen und die Karbonspeichen werden nur schon leicht gebogen, können sie kaputt gehen. Tatsächlich scheint das ein Hauptproblem der ersten Generationen Karbonspeichen gewesen zu sein – sie lösten sich in einzelne Karbonfasern auf.

Bevor ich mein eigenes Laufrad baue, rufe ich Andreas Schaad an und will wissen, wie es seinen Karbonspeichen heute geht. «Ich weiss gar nicht, ob ich dieses Laufrad von damals noch habe», antwortet er. Ihm seien an einigen Laufrädern Karbonspeichen gebrochen. «Aber es ist nie etwas passiert, die Räder blieben jeweils prima stabil.» Die aktuelle Entwicklung hin zu Karbonspeichen-Laufrädern renommierter Hersteller beobachte er mit Genugtuung. «Die bauen Felge, Nabe und Karbonspeichen als sinnvolles System, während ich vor vier Jahren noch auf Karbonspeichen aus undurchsichtigen Quellen zurückgreifen musste», sagt Schaad.

Ich wage es und kaufe chinesische Karbonspeichen, die etwas handgebastelt aussehen. Dazu besorge ich mir einen Satz Schmolke-Felgen und Nonplus-Naben. Das Resultat lässt sich sehen: ein 944 Gramm leichter Radsatz mit 37 Millimeter hoher Felge, Aerospeichen aus Karbon. Und das Fahrgefühl: ein Traum, der bislang hält.

Ob das auch so bleibt? Leider kann ich nicht in die Zukunft blicken.

Simon Joller ist ist Produzent beim SRF-Wissenschaftsmagazin «Einstein». Laufräder baut er zur Entspannung nach der Arbeit.

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