Vom Auto-Verkäufer zum Velo-Podcaster

Erstmals erscheint zur Tour de Suisse ein täglicher Podcast. Möglich macht es Patrick Nogdalla, ein Berner, der früher Autos verkaufte, bevor er dem Velo verfiel.

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Seit Ende 2023 ist keine Woche vergangen ohne«Gümmeler-Talk» mit Patrick Nogdalla.

Text: Corsin Zander

Fotografie: Claudio Zingarello

Wer Patrick Nogdalla in seinem «Gümmeler-Podcast» über Campagnolo und Shimano fachsimpeln hört, kann sich kaum vorstellen, dass lange Zeit Mazdas und Opels seine Welt waren. Doch wer mit ihm spricht, und er spricht gerne, merkt, dass diese Wendung nur eine von vielen ist in seinem Werdegang. Er selbst sagt, er sei inzwischen in seinem dritten Leben angekommen.

Aufgewachsen ist er in Bern-Bethlehem, einem Aussenquartier der Bundeshauptstadt. Hier, wo in den 1960er Jahren schweizweit die ersten grossen Wohnblocksiedlungen entstanden, wohnen keine reichen Familien. Seine Eltern – ein Sudanese, Pfleger im Spital, und eine Schweizerin, medizinische Sekretärin – verdienten gerade genug, um ihm vieles ermöglichen zu können: Pädu spielte als Kind Fussball und war im Eishockey-Club. Später, als Jugendlicher, wurden Partys spannender als der Sport. Mit 1.80 Metern Körpergrösse und 100 Kilogramm fühlte sich Nogdalla zunehmend unwohl und wollte etwas ändern. Einfach nur ein bisschen zu joggen war ihm nicht genug. Er verbrachte viel Zeit im Fitnesscenter: «Ich wurde vom Pummeluff zum Adonis.» Nogdalla lebt und spricht stets in Extremen.

Mit 19, immer noch im ersten Leben, wurde er Vater und musste schnell erwachsen werden. «Kein Studium, kein Plan B – ich musste Geld verdienen.» Er jobbte im Fitnesscenter, absolvierte die Ausbildung zum Eidgenössischen Fitness-Instruktor und machte sich dann als Personal Coach selbstständig. In dieser Zeit entwickelte Nogdalla die Freude am Velofahren. Zuerst war es bloss ein Mittel zum Zweck: Nogdalla steckte am Morgen mit dem Auto nicht gerne im Stau und fühlte sich in Tram und Bus nicht wohl («Ich bin freiheitsliebend.»), also kaufte er sich in der Migros ein Velo für 500 Franken. Plötzlich merkte er: «Das Velofahren macht mir nicht nur Spass, ich bin auch sehr gut darin.» Sein sportlicher Ehrgeiz wuchs, und das Migros-Velo kam an seine Grenzen. Also habe er sich ein Stadtvelo zugelegt und sei damit der Schnellste im Stadtverkehr geworden. «Ich nahm die E-Biker ins Visier», erzählt er schmunzelnd. Die Fahrten ins Fitnesscenter und zurück wurden ihm zu wenig. Nach einem kurzen Abstecher ins Mountainbiken und einem gebrochenen Sprunggelenk kaufte er sich dann sein erstes Rennvelo. «Da hat es mich dann komplett gepackt.»

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Patrick Nogdalla (links) vertritt die junge, Aldo Schaller die alte Generation der Radsportler:innen.

Mit 30, er hatte sich inzwischen von der Mutter seines Sohnes getrennt, habe dann sein zweites Leben begonnen. Ein Kunde war CEO einer Autogarage und überzeugt, Nogdalla wäre mit seinem Sprachtalent und seiner offenen Art ein guter Autoverkäufer. Offen für Herausforderungen, habe er sich darauf eingelassen, erzählt Nogdalla. «Ich war richtig gut.» Doch der Job habe viel Zeit und Aufmerksamkeit gefordert. «Da ruft jemand am Sonntagabend an, weil er wissen will, ob der Mazda USB-Anschlüsse hat», erzählt er. Das störte ihn auch, weil das Velofahren immer mehr in den Fokus gerückt war.

So ist Nogdalla vor drei Jahren in seinem dritten Leben angekommen: Er arbeitet inzwischen als Projektleiter in einem Werbetechnik-Atelier. Dabei ist er für Marketing und Content Creation zuständig. Trotz vollem Jobpensum findet er genug Zeit fürs Velofahren – ein Ausgleich, der ihn zur Ruhe kommen lasse, sagt er.

Genau genommen besteht sein Leben heute hauptsächlich aus dem Radsport. Er sitzt täglich auf dem Velo. Michèle, seine neue Partnerin und inzwischen Ehefrau, hat er im Fitnesscenter kennengelernt. Sie ist Instruktorin für Indoor-Cycling. In seiner Freizeit spricht er kaum noch über etwas Anderes als über Velos. «Ich bin velofiziert», sagt Patrick Nogdalla. Seine eigene Wortschöpfung gefällt ihm so gut, dass er sie im Gespräch mehrfach verwendet.

Was velofiziert ist, beschreibt Michèle Nogdalla so: «Ich finde Velofahren ja auch cool, aber bei Pädu hat es ein ganz anderes Ausmass.» Er könne stundenlang darüber diskutieren, ob er seine Kette nun ölen oder wachsen soll. Diese Begeisterungsfähigkeit gefalle ihr. «Ich hör ihm gerne zu», sagt sie.

Damit ist sie nicht die Einzige. Denn Patrick Nogdalla hat vor eineinhalb Jahren seinen ersten Podcast aufgenommen. Der «Gümmeler-Talk» sollte einmal in der Woche erscheinen und konsequent auf Schweizerdeutsch aufgenommen werden. Zuerst sprach er jeweils einfach über eine Stunde lang mit sich selbst, die Qualität war schlecht und kaum jemand hörte zu. Aber wenn sich Patrick Nogdalla etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt er sich nicht so schnell davon abbringen.

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Aldo Schaller: Legende.

Keine Woche ist seither ohne eine neue Folge «Gümmeler-Talk» verstrichen. Hinzugekommen sind neben einem neuen Mikrofon Aldo Schaller, Inhaber des Berner Veloladens Schaller Radrennsport, und sein Stellvertreter Micha Dängeli. «Wir sind wie eine Boygroup», sagt Aldo Schaller. Er ist 59 Jahre alt, ein Rennvelofahrer der alten Schule («Ich komme aus einer Zeit, in der man noch im Veloclub war.»). Patrick Nogdalla ist 36, mit Sinn für Tattoos und modische Velokleider, Velofahren als Lifestyle. Dängeli, mit 31 Jahren der Jüngste, bringe grosses technisches Wissen über die neusten Entwicklungen mit sich. Sie sprechen viel über Technik, manchmal etwas über Ernährung und Hobbyrennen. Sie besuchen grosse Velo-Brands und diskutieren immer wieder über Radsport. Schaller erzählt gerne von früher, und Nogdalla bringt zusammen mit Dängeli die Sichtweise der jüngeren Generation ein.

An der Boygroup gibt es auch vereinzelt Kritik, der «Gümmeler-Talk» schliesse mit seinem Namen und der Besetzung Frauen aus. Darauf entgegnet Patrick Nogdalla: «Unser Ziel ist es, alle Velobegeisterten anzusprechen – unabhängig von ihrem Geschlecht.» Immer wieder lade er gezielt Frauen ein, um verschiedene Perspektiven einzubringen. «Es geht um den Radsport, nicht um das Geschlecht», sagt er.

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Inzwischen hören jede Woche bis zu 2300 Menschen zu, wie die drei über Velos sprechen. Und in der Radsportszene ist der Podcast mittlerweile ein Begriff. Auch dem Marketingleiter der Tour de Suisse, Philipp Avenell, ist das aufgefallen: «Der ‹Gümmeler-Talk› ist der erste schweizerdeutsche Velo-Podcast, der jede Woche konsequent erscheint. Ohne Ausnahme. Das hat mich beeindruckt.» Ein solcher Podcast fehle der Tour de Suisse. «Wir erreichen unsere Fans über Social Media, unsere Website oder das ‹Gruppetto›, aber über die Akustik können wir noch einen weiteren Sinn ansprechen», sagt Avenell. Einen eigenen Podcast zu etablieren, sei nicht realistisch gewesen. «Dazu fehlt uns als Event die Regelmässigkeit.» Zwar lancierten Sam Buchli, Dominik Meienberg und Jan Mühlethaler 2019 während der Tour de Suisse ihren Bus-33-Podcast, aber sie entwickelten ihn dann zu einem eigenständigen Format weiter.

Vergangenes Jahr nahm Avenell also Kontakt mit Nogdalla auf – und dieser sagte sofort begeistert zu. «Das gibt uns nochmals die Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erschliessen und bekannter zu werden», ist Nogdalla überzeugt. Während der Tour de Suisse der Frauen und Männer wird er täglich aus dem Innern der Organisation berichten und so hinter die Kulissen blicken.

Patrick Nogdalla ist sich bewusst, dass der Aufwand deutlich grösser sein wird als der Helferlohn, den er dafür von der Tour de Suisse erhalten wird. Doch für ihn steht nicht der finanzielle Gewinn im Vordergrund. Er wolle der Radsport-Community etwas zurückgeben, sagt er. «Wenn dabei etwas zurückkommt, ist das schön, aber es ist nicht mein Hauptantrieb», betont er. «Es geht mir darum, die Begeisterung für den Radsport zu teilen und die Community zu stärken.»

Den Podcast zur Tour de Suisse und den «Gümmeler-Talk» gibts auf Spotify und überall, wo es Podcasts gibt.

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